Schon Medienliebling: Papst Leo XIV. gibt seine erste Audienz für Journalisten

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Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass der neue Papst Leo XIV. und die Medien ein gutes Verhältnis pflegen werden. Am Montag gab es in der riesigen Audienzhalle im Vatikan die erste Begegnung des ersten Papstes aus dem Medienland USA mit den „Medienschaffenden“. So heißen Journalisten jetzt auch in der Terminologie des vatikanischen Medienportals „Vatican News“. Manche Agenturen sprachen von der „ersten Pressekonferenz“ des Papstes, was Unfug ist.

Ansprache und Segen

Als Leo XIV. die Halle betrat, gab es langen Beifall. Fragen und Antworten gab es nicht, stattdessen eine Ansprache mit anschließendem Segensspruch für alle Anwesenden und einer Händeschüttel-Tour durch die ersten Reihen. Dabei ließ sich mancher Berichterstatter gleich ein Autogramm geben, auf einen Baseball etwa. Die meisten schüttelten dem Papst höflich bis überschwänglich die Hand, manche wollten nicht mehr loslassen. Andere küssten seinen Ring: Der Papst ist auch das geistliche Oberhaupt der vielen katholischen Berichterstatter beim und über den Vatikan.

Schon an diesen Äußerlichkeiten tritt die Schwierigkeit zutage, als Pressevertreter einem Papst angemessen zu begegnen. Das Protokoll verlangt die Anrede „Heiliger Vater“ oder „Eure Heiligkeit“, gleich welcher Konfession oder Religion man angehört. Für katholische Journalisten ist der Papst tatsächlich ihr „Heiliger Vater“, und die meisten Journalisten wenden sich so an ihn. Ob man dabei als Journalist noch die nötige Distanz wahren kann? Pressebegegnungen mit dem Papst sind oft Fanveranstaltungen, vor allem bei Auslandsreisen in dessen Flugzeug „Shepherd One“ (etwa: Oberhirte eins). Wenn der Papst durch die Reihen geht, um alle Journalisten einzeln zu begrüßen, dann ist man noch einmal „näher dran“ als in der großen Audienzhalle im Vatikan.

Schon Papst Franziskus hatte eine „gute Presse“

Schon der Ostermontag im Alter von 88 Jahren verstorbene Papst Franziskus war ein Medienliebling. In vielen Zeitungen, in Radio und Fernsehen hatte er „gute Presse“. Regisseure wie Wim Wenders und Martin Scorsese lagen ihm zu Füßen. Das mochte am Charisma von Franziskus liegen. Mehr noch hatte es mit dem Umstand zu tun, dass der erste Papst aus dem globalen Süden bei Themen wie Migration, Umwelt- und Klimaschutz oder Kritik des Kapitalismus und des Kolonialismus im weltanschaulichen Hauptstrom der medialen und akademischen Welt im globalen Norden lag. Dass Franziskus in Sachen Genderideologie, Lebensschutz und Schwangerschaftsabbruch, überhaupt mit Blick auf die Rolle der Frau in der Kirche, selbst für die innerkatholische Debatte konservative Positionen vertrat, verzieh der Mainstream.

Manches spricht dafür, dass Leo XIV. in diesen strittigen Fragen mindestens so konservativ, ja traditionalistisch denkt wie sein Vorgänger, von dem er sich schon in der ostentativen Rückkehr zu liturgischen Altformen klar unterscheidet. Dennoch haben ihn viele Franziskus-Fans der europäischen und nordamerikanischen Medien- und Kulturszene sogleich als nächsten „Trump-Gegner“ adoptiert. Die Wirklichkeit ist komplizierter.

Auch Leo XIV. ist von einnehmendem Wesen und hat Charisma. Er bewegt sich in seinem neuen Amt traumwandlerisch sicher und bescheiden. Er parliert akzentfrei in vier bis fünf Sprachen und versprüht Esprit. Er hat das Zeug, Franziskus als Medienstar in den Schatten zu stellen.

In seiner Ansprache vom Montag kooptierte Papst Leo XIV. die Journalisten und den Journalismus überhaupt sogleich zu seiner Kampagne für den Frieden: „Wir müssen ,Nein‘ sagen zum Krieg der Worte und Bilder, wir müssen das Paradigma des Krieges ablehnen!“ Er erinnerte an die Journalisten, die in aller Welt inhaftiert seien, weil sie „nach der Wahrheit gesucht und diese erzählt haben“. Ihnen gelte die „Solidarität der Kirche“, bekräftigte er und forderte deren sofortige Freilassung. „Liebe Freunde“, schloss Leo XIV., „mit der Zeit werden wir uns besser kennenlernen. Wir haben gemeinsam wirklich besondere Tage erlebt. Ich hoffe aufrichtig, dass jeder von uns sagen kann, dass diese Tage ein wenig vom Geheimnis unseres Menschseins offenbart und in uns den Wunsch nach Liebe und Frieden geweckt haben. Wir brauchen keine laute, gewaltsame Kommunikation. Entwaffnen wir die Worte, und wir werden dazu beitragen, die Welt zu entwaffnen. Eine entwaffnete und entwaffnende Kommunikation ermöglicht es uns, eine andere Sicht auf die Welt zu teilen und in einer Weise zu handeln, die unserer Menschenwürde entspricht.“ Der Beifall wollte nicht verebben. Ein guter Beginn für Leo XIV. und die Medien. Fast schon ein Liebesfest.

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