
Festnahme von Peter Fitzek: Zugriff am Dienstagmorgen
Foto: SPIEGEL TVAuf das Anwesen im mittelsächsischen Halsbrücke fallen schon die ersten Sonnenstrahlen. Es ist sechs Uhr, als die Polizei mit Dutzenden Einsatzwagen anrückt, um den Sitz des »Königreichs Deutschland« zu durchsuchen und den Mann festzunehmen, der sich hier König nennt: Peter Fitzek.
Schwer bewaffnete Polizisten rennen auf das Gebäude zu, positionieren sich hinter Mauern und brechen schließlich die Tür mit einer Ramme auf. Mehr als zwei Stunden später, um 8.25 Uhr, verlässt Fitzek sein Reich. Nicht im schwarzen Nadelstreifenhemd mit dem Emblem seines »Königreichs«, wie er es sonst so häufig trägt. Sondern im blauen Poloshirt und mit Handfesseln, umringt von maskierten Polizeibeamten.
»Das ist illegal und rechtswidrig«, sagt Fitzek auf dem Weg zum Polizeiauto zu einem Reporter von SPIEGEL TV. Dann schiebt ein Beamter die Tür zu. Für den gelernten Koch Fitzek, der 2012 die »Reichsbürger«-Truppe gründete, ist erst mal Schluss mit König spielen.

Polizeieinsatz in Halsbrücke: Mit der Ramme zum König
Foto: Tobias Junghannß / dpa
Polizeieinsatz in Gera: Schlag gegen mutmaßliche Verfassungsfeinde
Foto: Bodo Schackow / dpaNach Angaben des Innenministeriums durchsuchten mehr als 800 Einsatzkräfte der Polizei in mehreren Bundesländern ab den frühen Morgenstunden Gebäude, die vom Verein genutzt wurden, und Wohnungen führender Mitglieder.
Betroffen von Durchsuchungen und Festnahmen waren Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Auch Beamte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht waren beteiligt.
Der Generalbundesanwalt ermittelt
Die Ermittlungen führt der Generalbundesanwalt in Karlsruhe, die oberste deutsche Anklagebehörde. Sie ist in solchen Fällen nicht automatisch zuständig. Wegen der besonderen Bedeutung des Falls aber habe man die Sache an sich gezogen, sagte eine Sprecherin. Der Generalbundesanwalt verdächtige die vier Festgenommenen, Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung zu sein.
Zwei der Festnahmen erfolgten demnach im Landkreis Mittelsachsen, dazu gehörte die Festnahme von Fitzek. Je eine weitere Festnahme erfolgte in den Landkreisen Oder-Spree in Brandenburg und Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz.
Zwei der Männer befänden sich bereits in Untersuchungshaft, sagte die Sprecherin aus Karlsruhe. Die beiden anderen, darunter Fitzek, sollten in Kürze dem Haftrichter vorgeführt werden.
»Peter, Menschensohn«
Fitzek, 59, ließ sich von seinen Untertanen als König Peter I. oder auch als »Peter, Menschensohn« ansprechen. Bei seiner Krönung trug er einen purpurfarbenen Mantel mit Hermelinkragen und stützte sich auf ein Schwert, während er eine »Gründungsurkunde« vorlas.
Laut Generalbundesanwalt verfügte Fitzek über die Kontrolle und Entscheidungsgewalt in allen wesentlichen Bereichen. Zwei der vier festgenommenen Beschuldigten waren seine Stellvertreter. Ein weiterer war demnach für die Finanzen zuständig. Fitzek werden demzufolge auch unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte vorgeworfen.

Anführer Fitzek vor Gericht im Jahr 2019: Selbst ernannter König
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert / dpa-Zentralbild / dpa
Versiegelte Tür im niedersächsischen Bad Lauterberg: Durchsuchungen in mehreren Bundesländern
Foto: Matthias Bein / dpaBeschlagnahmt wurden bei den Durchsuchungen laut Bundesinnenministerium »drei Vereinsimmobilien, zahlreiche Fantasiedokumente, Vereinsunterlagen, Datenträger und Dokumente, Bargeld sowie diverse Landmaschinen und Fahrzeuge«. Eine »dezidierte profitorientierte Ausrichtung« des Vereins sei wesensprägend gewesen.
Arbeit von Faeser übernommen
Noch ist die Website des »Königreich Deutschland« aufrufbar. Das dürfte sich durch das Verbot bald ändern. Mitte April ist das letzte Video von Peter Fitzek erschienen. Darauf ist zu sehen, wie der selbst ernannte König im Nadelstreifenhemd vor einem holzvertäfelten Schrank sitzt, in einer Vitrine stehen Dutzende Bücher.
»Grüß Gott, liebe Interessierte am Königreich Deutschland«, sagt er und fügt gleich hinzu: »Und auch ihr vom Staatsschutz, vom Verfassungsschutz, ihr Polizisten, ihr Verwaltungsbedienstete, egal wo immer ihr sitzt, ihr solltet euch für diese Dinge interessieren.«
Als das Video veröffentlicht wurde, liefen die Vorbereitungen beim Bundesinnenministerium, beim Generalbundesanwalt und bei der Polizei schon auf Hochtouren. Der Beginn liege einige Monate zurück, sagte Innenminister Dobrindt am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Er übernahm die weit vorangeschrittene Arbeit von seiner Vorgängerin Nancy Faeser.
Das Ziel offenbar: ein Gegenstaat
»Der Verein ›Königreich Deutschland‹ richtet sich gegen die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland«, sagte Dobrindt. Das Ziel der Vereinigung sei es, einen sogenannten Gegenstaat zu gründen und sich von der Bundesrepublik abzuspalten. »Es wurden Liegenschaften erworben, Teilorganisationen gegründet wie eine sogenannte Königliche Reichsbank oder eine sogenannte Deutsche Heilfürsorge, mittels derer Geldmittel beschafft wurden.«

Bundesinnenminister Dobrindt: Kampf gegen »Reichsbürger«
Foto: ESDES.Pictures; Bernd Elmenthaler / Bernd Elmenthaler / IMAGOIhren vermeintlichen Herrschaftsanspruch untermauerten die Mitglieder der Vereinigung offenbar durch antisemitische Verschwörungserzählungen. Dieses Verhalten könne ein Rechtsstaat nicht dulden. Es handele sich bei den Mitgliedern der Vereinigung keineswegs um »harmlose Nostalgiker«, betonte der Minister.
»Keine harmlose Spinnerei«
»Sie machen es sich in ihrer bizarren Parallelwelt bequem, leben auf Kosten der Allgemeinheit und glauben, sie könnten sich hinter pseudojuristischen Fantasiestaaten verstecken«, sagte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU). »Das lassen wir nicht ohne eine harte Reaktion des Rechtsstaats zu.«
Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) sagte: »Ich begrüße ausdrücklich das Verbot der Gruppierung, denn das ›Königreich Deutschland‹ ist keine harmlose Spinnerei, sondern ein gefährliches Konstrukt aus Staatsleugnung, ideologischer Verblendung und autoritären Machtfantasien.«
»Reichsbürger« erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Viele von ihnen behaupten, das historische Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sie lehnen demokratische und rechtsstaatliche Strukturen ab, Parlamente, Gesetze, Gerichte.
Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder wollen sie nicht zahlen. Die Szene besteht aus vielen, meist kleineren Gruppierungen. Manche »Reichsbürger« sehen sich als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reiches. Der Verfassungsschutz geht von rund 30 länderübergreifend aktiven Gruppierungen aus.
Etwa 25.000 Anhänger rechnete der Verfassungsschutz der Szene im Jahr 2023 zu. Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Monaten vor allem die »Reichsbürger«-Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen haben soll. Am Oberlandesgericht Frankfurt wird gegen die Gruppe verhandelt. Parallel dazu laufen Verfahren in München und Stuttgart.