In Serbien fordern Protestierende in Novi Sad Gerechtigkeit für 16 Tote. Sie machen Korruption und Missmanagement für das Bahnhofsunglück vor einem Jahr verantwortlich.
1. November 2025, 14:49 Uhr Quelle: DIE ZEIT, dpa, Reuters, ps
Mit 16 Schweigeminuten haben Zehntausende Menschen in der nordserbischen Stadt Novi Sad der 16 Toten des Dacheinsturzes am Bahnhof vor einem Jahr gedacht. Die Menschen versammelten sich auf dem Platz vor dem Bahnhof und entlang des kilometerlangen Freiheitsboulevards. Viele legten Blumen und Kränze nieder, hielten rote Herzen mit den Namen der Opfer hoch und gedachten um 11:52 Uhr – dem Zeitpunkt des Unglücks – gemeinsam in Stille der Toten.
Das Bahnhofsunglück, das sich am 1. November 2024 ereignet hatte, gilt als Auslöser der größten Protestbewegung der jüngeren serbischen Geschichte. Seit Monaten fordern Demonstrierende, angeführt von Studierenden und zivilgesellschaftlichen Gruppen, die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen sowie vorgezogene Neuwahlen. Sie machen Korruption, Schlamperei und politische Einflussnahme unter Präsident Aleksandar Vučić für das Unglück verantwortlich. Experten hatten schwere Mängel bei den Renovierungsarbeiten festgestellt.
Zur Gedenkveranstaltung reisten Bürgerinnen und Bürger aus dem ganzen Land an, viele Studierende kamen zu Fuß oder mit dem Fahrrad nach Novi Sad. Die Bevölkerung entlang der Strecke empfing sie mit Essen und Unterkunft. Die Regierung hatte den Bahnverkehr zwischen Belgrad und Novi Sad am Vortag wegen einer angeblichen Bombendrohung eingestellt – eine Begründung, die bereits bei früheren Protesten angeführt worden war und viele Menschen für unglaubwürdig halten.
Die Protestbewegung wirft der Regierung zudem generell Korruption, Vetternwirtschaft und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Ein unabhängiger Bericht an das Europäische Parlament bestätigte zuletzt Korruption und mangelhafte Baustandards beim Bahnhofsprojekt. Die Regierung weist alle Vorwürfe zurück. Bislang ist es zu keiner Gerichtsverhandlung gegen die Verantwortlichen des Bahnhofsdachunglücks gekommen.

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