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Ein Land im Ausnahmezustand
Für Bundeskanzler Friedrich Merz ist das Kapitel Gazakrieg geschlossen. »Der Krieg in Gaza ist vorbei«, sagte er Mitte Oktober, als die Waffenruhe in Kraft trat. Kurz darauf hob die Bundesregierung auch die vorübergehenden Beschränkungen an Waffenexporten nach Israel wieder auf. Für die Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens fühlt sich das Leben aber nach wie vor nicht wie Frieden an. Mehr als 360 sind nach Angaben des Hamas-geführten Gesundheitsministeriums seit dem 10. Oktober durch Angriffe Israels getötet worden, fast Tausend sollen verletzt worden sein.
Politiker Merz und Netanyahu: Heikler Moment
Foto: Kobi Gideon / GPO / dpaWenn Merz an diesem Samstag nach Israel reist, um seinen verspäteten Antrittsbesuch zu absolvieren, fliegt er also nicht in ein Land, das einen Krieg hinter sich hat, wie meine Kollegin Juliane von Mittelstaedt analysiert. Im Gegenteil: Es steckt noch mitten darin. Der Besuch kommt in einem heiklen Moment: Nicht nur, weil Merz Israels Premier Benjamin Netanyahu trifft, einen Mann, der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen per Haftbefehl gesucht wird (mehr dazu hier ). Sondern auch, weil sich gerade entscheidet, ob der Friedensplan von US-Präsident Donald Trump aufgeht. Gibt die Hamas ihre Waffen ab? Zieht sich Israel gänzlich aus dem Gazastreifen zurück? Beginnt der Wiederaufbau?
Es ist nicht falsch, dass Merz nach Israel reist, wie manche Kritiker meinen. Entscheidend ist, was er dort sagt, und wen er neben Netanyahu sonst noch trifft.
Mehr Hintergründe hier: Netanyahus Werk und Trumps Beitrag
Nach dem Kult
Es sind gerade einmal zwei Jahre vergangen, seit Sahra Wagenknecht das nach ihr benannte »Bündnis Sahra Wagenknecht« gründete. Nach Erfolgen bei Landtagswahlen in Ostdeutschland und der Europawahl sah es für einen Moment so aus, als könnte die Politikerin mit ihrer linkskonservativen Programmatik die Parteienlandschaft grundlegend verändern. Bei der Bundestagswahl im Februar scheiterte das BSW jedoch knapp an der Fünfprozenthürde. Damit begann die Entfremdung zwischen Wagenknecht und ihrer Partei, wie meine Kollegin Linda Tutmann analysiert.
Politikerin Wagenknecht: Am Ende verkalkuliert
Foto: Kay Nietfeld / dpaNun muss sich das Bündnis auf dem Parteitag in Magdeburg an diesem Wochenende neu erfinden. Wagenknecht hat ihren Rückzug als Parteichefin bereits angekündigt. Sie soll durch den Europaabgeordneten Fabio De Masi ersetzt werden, Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali will ihren Posten behalten. Zugleich soll die Riege der Stellvertretenden aufgebläht werden. In der Partei sind viele Mitglieder offenbar empört über den autoritären Stil ihrer Spitzenfunktionäre. Unklar ist auch, wofür die Partei künftig stehen soll: Kämpft sie vor allem für Umverteilung? Oder entwickelt sie sich zu einer AfD 2.0, die durch Putin-Nähe und eine repressive Migrationspolitik auffällt?
Kaum eine andere Partei in der Geschichte der Bundesrepublik war so sehr auf eine Figur zugeschnitten wie das BSW. Nun braucht das Bündnis mehr als nur einen neuen Namen (mehr dazu hier ). »Der Personenkult war ein Wagnis, eine Wette, bei der sich Wagenknecht am Ende verkalkuliert hat«, schreibt Linda. »Den Preis wird wohl die Partei zahlen.«
Mehr Hintergründe hier: In Sahras Welt
Europa muss sich auf sich selbst besinnen
Die Woche begann für die Ukraine hoffnungsvoll und endet nun, einmal mehr, ernüchternd. Als die US-Unterhändler Steve Witkoff und Jared Kushner am Montag für ein Gespräch mit Russlands Machthaber Wladimir Putin nach Moskau aufbrachen, da sprachen bereits manche von einem bevorstehenden Durchbruch. US-Präsident Donald Trump selbst schürte Erwartungen, als er behauptete, man sei einem Friedensdeal nah. Fürs Erste lässt sich bilanzieren, dass die Ukraine einem Frieden so fern ist wie eh und je seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor bald vier Jahren (mehr dazu hier ).
Ukrainischer Soldat: Einem Frieden fern
Foto: Yan Dorbronosov / REUTERSWährend Putin die Menschen in der Ukraine aus der Luft terrorisiert, während seine Truppen im Donbass langsam, aber beständig vorrücken, will man jetzt weiter sprechen. Ukrainische Unterhändler sind auch an diesem Wochenende wieder in den USA. Die Frage ist, was sie eigentlich noch erreichen können. Putin sieht sich obenauf. Frieden will er, wenn überhaupt, nur zu seinen Bedingungen, wie meine Kolleginnen Ann-Dorit Boy und Christina Hebel analysieren (mehr dazu hier ).
Immerhin: Der US-Sondergesandte Witkoff machte gestern deutlich, dass eine Einigung davon abhänge, ob der Kreml »ernsthaftes Engagement für einen langfristigen Frieden« zeige (mehr dazu hier). Dennoch: Die Ukrainer drohen in dem Konflikt unter die Räder zu kommen – und mit ihnen die Europäer. Ein SPIEGEL-Team um Fidelius Schmid hat diese Woche die Mitschrift eines Telefonats zwischen europäischen Spitzenpolitikern veröffentlicht, indem diese davor warnen, dass die USA die Ukraine und Europa hintergehen könnten. Es ist ein eindrucksvolles Dokument, auch weil es offenbart, wie groß die Diskrepanz ist zwischen dem, was die Europäer öffentlich und nicht-öffentlich über Trump sagen. »Sie spielen Spielchen, sowohl mit euch als auch mit uns«, sagte Merz demnach, wahrscheinlich in Bezug auf Kushner und Witkoff. Die Lehren, die die Europäer daraus ziehen sollten, ist klar: Es bringt nichts, darauf zu hoffen, dass Trump diesen Krieg beendet. Die USA unter Trump sind kein Partner. Europa muss sich auf sich selbst besinnen und eigenständig die Verteidigung gegen Russland organisieren.
Mehr Hintergründe hier: »Wir dürfen die Ukraine und Wolodymyr nicht mit diesen Jungs alleinlassen«
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Gewinner des Tages…
…ist Jerry Afriyie. Der niederländische Aktivist hat 15 Jahre lang dafür gekämpft, dass Blackfacing beim niederländischen Nikolausfest abgeschafft wird. Nun löst sich die Aktivistengruppe »Kick Out Zwarte Piet« auf. Denn ihre Mission ist weitgehend erfüllt. Auf offiziellen Nikolausfeiern in den Niederlanden werden »Zwarten Pieten« fortan durch weniger geschminkte »Pieten« ersetzt. Eine Mehrheit der Niederländerinnen und Niederländer findet das laut Umfragen richtig.
Aktivist Afriyie: Mission erfüllt
Foto: Patrick Post / AP
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Anwalt Christopher Kinnison zu Hause in seinem Arbeitszimmer
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