Matthias Brandt hält in Plötzensee Rede zum 20. Juli

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Am heutigen Sonntag hat die Stiftung 20. Juli 1944 gemeinsam mit Vertretern der Bundesregierung an die Frauen und Männer des militärischen und zivilen Widerstands gegen das NS-Regime erinnert. Die Gedenkveranstaltung fand in der Gedenkstätte Plötzensee statt, dem ehemaligen Strafgefängnis, wo mehr als 2800 Menschen, darunter zahlreiche Widerstandskämpfer, von Hitlers nationalsozialistischer Justiz ermordet wurden. Am 20. Juli 1944 versuchten Verschwörer um den Wehrmachtsoffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Hitler zu töten und das Regime zu stürzen. Der Anschlag scheiterte, die Widerstandskämpfer wurden hingerichtet.

Diffamierungen durch politische Gegner

Hauptredner der diesjährigen Feierstunde war der Schauspieler und Autor Matthias Brandt. Er ist der Sohn des ersten SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt, der 1933 aus Nazi-Deutschland floh, um sich vor Verfolgung zu schützen. Von Norwegen aus arbeitete der als Herbert Ernst Karl Frahm geborene junge Mann dann unter dem Decknamen Willy Brandt gegen das Nazi-Regime und hatte während seines Exils engen Kontakt zu deutschen Widerstandskreisen. Im Exil lernte er auch die norwegische Sozialistin Rut Brandt kennen, beide engagierten sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, doch dauerte es lange, bis dies im Nachkriegsdeutschland gewürdigt wurde.

In seiner Rede sprach Matthias Brandt in persönlichen Worten über das Erbe seiner Eltern, über Weggefährten aus der Arbeiterbewegung wie Julius Leber, über Mut, Verantwortung und die bleibende Bedeutung von Haltung. Sein Vater habe, als er nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte, den Namen Brandt beibehalten, der „nicht nur ein schützendes Pseudonym, sondern ein Kampfname, nicht nur Tarnung, sondern auch ein Zeichen“ gewesen sei: „Er war zu seiner neuen Identität geworden und wurde so auch ein Teil der Identität seiner Familie, die er nun gründete“. Die Diffamierungen durch politische Gegner, nicht zuletzt auch durch einige in der eigenen Partei, die vom „Vaterlandsverräter“ bis zum „nicht authentischen Deutschen“ gingen, habe er dabei in Kauf genommen.

Verrohung des Umgangs

Diesem Vorwurf des „Vaterlandsverrats“ seien immer wieder auch die Frauen und Männer des 20. Juli ausgesetzt gewesen: „Im frühen bundesrepublikanischen Nachkriegsdeutschland mussten die Frauen und Männer des Widerstands dafür büßen, gezeigt zu haben, dass es möglich gewesen war, sich anders zu verhalten als die Mehrheit“, so Brandt, weil dies vielen Deutschen lästig zu sein schien. Sich mit dem Widerstand zu beschäftigen, bedeutete zwangsläufig, sich auch mit der eigenen Tatenlosigkeit auseinanderzusetzen.

Matthias Brandt mahnte in seiner Rede in Plötzensee an, dass wir heute wieder erlebten, „wie das Gift von Hass, Rassismus und Ausgrenzung“ einsickere und sich bemerkbar mache in einer Verrohung des Umgangs, „nicht zuletzt sprachlicher Natur, durch Gewalt und bewusstes Kokettieren mit Sprachbildern der NS-Propaganda“. Dies zeige sich auch in den Wahlergebnissen. Menschen seien auf einmal wieder „Fremdkörper“, nicht zugehörig und sollten entfernt werden. Und das alles unter Berufung auf eine zu schützende angebliche biologische oder ethnische Basis deutscher Identität. „Was ist das anderes als Geschichtsvergessenheit?“, fragte der Schauspieler und Autor.

Am Gedenken der Bundesregierung und der Stiftung 20. Juli 1944 an den Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft anlässlich des 81. Jahrestages des 20. Juli 1944 nahmen neben Vertretern der Bundes- und Landespolitik Gäste aus dem Kreis der Widerstandsfamilien teil und gedachten der Opfer des Nationalsozialismus.

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