Die Justizminister von Bund und Ländern haben auf ihrer 95. Tagung am Donnerstag in Berlin 34 Beschlüsse gefasst. Einer sieht vor, dass Autobauer den Strafverfolgungsbehörden auf Anforderung einen Zweitschlüssel oder Zugangscode zu Fahrzeugen von Verdächtigen herausgeben müssten. Gefragt sei eine "gesetzliche Verpflichtung Dritter zur Mitwirkung bei der Fahrzeugöffnung", ist dem Papier zu entnehmen. Ziel soll sein, den Ermittlern beim Einbau von Überwachungstechnik für Maßnahmen nach den Paragrafen 100c, 100f und 100h Strafprozessordnung (StPO) zu helfen. Dabei geht es um den großen Lauschangriff auch außerhalb von Wohnungen sowie Bildaufnahmen und den Einsatz sonstiger "für Observationszwecke bestimmter technischer Mittel". In der Regel werden dafür Wanzen verwendet.
Das Bundesjustizministerium soll sich nun der Thematik annehmen und einen entsprechenden Gesetzesvorschlag machen. Die Justizminister der Länder betonen, dass der Polizei die in der StPO geregelten Eingriffsmaßnahmen "auch unter geänderten tatsächlichen und technischen Rahmenbedingungen faktisch zur Verfügung stehen müssen". Dies dürfe nicht "an faktischen Gegebenheiten scheitern". Der Beschluss geht auf eine Initiative der baden-württembergischen Justizministerin Marion Gentges (CDU) zurück. Sie begründet diese damit, dass die "aktuellen Standards der Hersteller bei der technischen Diebstahlprävention" für das zwingend erforderliche Öffnen der Fahrzeuge durch Fahnder "vermehrt eine unüberwindbare Hürde" darstellten. Schon ein Drittel aller Autos sei "mit Alarm- oder Warnfunktionen ausgestattet" – Tendenz steigend. Die Mitwirkung der Hersteller sei daher unabdingbar.
"Datenflut" fürs BKA gefürchtet
Auf Basis einer Vorlage von Niedersachsen fordert die Konferenz, dass große Plattformbetreiber wie Facebook und X mit empfindlichen Bußgeldern belegt werden, wenn sie ihrer Pflicht zum Melden von Straftaten im Internet im Rahmen des Digital Services Act (DSA) nicht konsequent nachkommen. "Das ist dringend erforderlich, um Hass und Hetze im Netz weiter erfolgreich die Stirn zu bieten", betonte die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD). Bürgerrechtler befürchten schon seit Längerem, dass mit der Meldepflicht eine "Datenflut" fürs Bundeskriminalamt (BKA) einhergehen dürfte und "massive Freiheitseingriffe" auch zulasten Unbescholtener drohen. Die Justizminister erachten eine Sanktionsmöglichkeit für Verstöße gegen die Auflage dagegen als entscheidend.
Die Konferenz unterstützte einen weiteren Antrag Niedersachsens zur Vermögensabschöpfung bei öffentlichkeitswirksamen Straftaten mit Blick auf Social-Media-Betreiber: Wenn Täter "ihre Straftaten im Netz posten oder sogar live streamen, um sich damit öffentlich zu brüsten, steht das moralisch auf unterster Stufe", hob Wahlmann hervor. "Noch schlimmer ist, wenn sie damit über die sozialen Netzwerke auch noch Geld verdienen. Hier besteht ganz dringend gesetzgeberischer Handlungsbedarf: Der Staat muss solche illegalen Einkünfte einziehen können."
Polizei soll für Staatstrojaner einbrechen dürfen
Auch das größtenteils von Ländern mit CDU/CSU-Regierungsbeteiligung auf Eis gelegte "Sicherheitspaket" wollen die Justizminister verschärfen. Dazu haben sie etwa einen Antrag aus Bayern, Berlin und Brandenburg angenommen, um die Ermittlungsmöglichkeiten bei verschlüsselten Messenger-Diensten wie WhatsApp, Telegram oder Signal zu verbessern. Um Staatstrojaner für eine entsprechende Quellen-TKÜ auf Handys, Rechner & Co. aufzuspielen, hält die Konferenz erneut "eine Prüfung für geboten, ob die Schaffung eines gesetzlichen Betretungsrechts zur Wohnung des Beschuldigten" zielführend sei. Sprich: die Polizei soll dazu einbrechen dürfen. Dies sei aufgrund des "technischen Aufwands" der Installation der Überwachungssoftware nötig. Der frühere Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnte einen solchen Vorstoß von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) jüngst strikt ab. Der Konferenz zufolge soll ferner die Funkzellenabfrage ausgeweitet und der Einsatz verfahrensübergreifender automatisierter Recherche- und Analyseplattformen möglich werden.
Die Beschlüsse der Herbstkonferenz der Justizminister im Überblick.
(nen)