Jetzt aber schnell! Fünf Ausstellungen, die in dieser Woche enden

vor 9 Stunden 1

Diese Ausstellung sollte Trump sehen!

„Radikal! Künstlerinnen und Moderne 1910-1950“ in Saarbrückens Moderne Galerie

Die Moderne Galerie Saarbrücken zeigt in „Radikal!“ siebzig zu Unrecht vergessene Künstlerinnen. Eine Schau über eine alternative Moderne – und ... ein Antidot gegen die Hartherzigen und Frauenfeinde dieser Welt.

„Zutiefst ungerecht“ erscheint es dem Kunsthistoriker Stefan Trinks, „aus der Equipe der siebzig einzelne herauszustellen. Es soll dennoch geschehen, um künftige Einzelschauen anzuregen. So will man über die weiblichen Mondrians Charmion von Wiegand und Marlow Moss, vor allem zu Katharina Heise und ihrem eindrücklichen Sandsteinrelief ,Kindesraub’ von um 1918 mehr erfahren. In gelängt fließenden Ewald-Mataré-Formen beugt sich eine dunkle Männergestalt über eine Mutter und versucht ihr den Säugling zu entreißen; zwei blaue Bäume wölben sich über den Entführer und schirmen ab. In Expressionistenkreisen hochgeschätzt, firmierte die toughe Bildhauerin dennoch bis 1931 unter ,Karl Luis Heinrich-Salze’. Seit 1914 war sie mit Kollwitz befreundet, die über sie schrieb, sie habe ,Talent, Temperament, Arbeitswut’ und ,auch etwas Dreistigkeit’. Aber, und hier irrte die klassenkämpferische Freundin, auch ,viel Geld’. Das half Heise nicht, sie wurde wie die meisten anderen Künstlerinnen vergessen.“

 Kapiteloffiziumsbuches der Zisterzienser von Altzelle mit der rechts oben beginnenden BenediktregelPflichtenheft des Klosterlebens: Kapiteloffiziumsbuches der Zisterzienser von Altzelle mit der rechts oben beginnenden BenediktregelRamona Ahlers-Bergner/SLUB Dresden

Eine Operette für die Äbtissin

„Der verschlossene Garten. Zugänge zur Klosterbibliothek der Zisterzienserinnen von St. Marienthal“ in der Dresdner SLUB

Die Dresdner Staats- und Landesbibliothek präsentiert die prachtvollen und höchst instruktiven Handschriften und Bücher des Klosters Sankt Marienthal.

„Der streng getaktete Tagesablauf der Nonnen begann, wie ein Zeitrad veranschaulicht, um fünf Uhr morgens“, schreibt unser Kunstkritiker Stefan Trinks: „,ließ dennoch Zeit für Lektüre in der sehr gut bestückten Bibliotheksabteilung mit Werken der Geographie, Geschichte, Reiseberichten – und sogar Büchern zur Französischen Revolution oder die für Klimawandelforscher hochinteressante, 1789 in Annaberg und Freiberg erschienene Publikation ,Verbesserter Wind-, Regen- und Trockenheitsbeobachter’. Langweilig, das zeigt die Schau eindringlich, wurde es den Frauen im dunklen Marienthal dank ihrer Bibliothek nie.“

 Wassily Kandinskys „Weißes Kreuz“ von 1922Synästhesie aus Farbe, Form und Rhythmus: Wassily Kandinskys „Weißes Kreuz“ von 1922Peggy Guggenheim Collection, Venedig

Der Traum der blauen Pferde

„Kosmos Kandinsky: Abstrakte Kunst des 20. Jahrhunderts“ im Potsdamer Palais Barberini

„Neben die Werke von Marc und Kandinsky“, schreibt unser Rezensent Andreas Kilb: „hat der Kurator Andreas Schalhorn wichtige Gastkünstler aus den beiden Almanachen, den Ausstellungen von 1911/12 und dem Umkreis der „Sturm“-Galerie gehängt: Klee, Derain, Kirchner, Nolde, Kokoschka, Natalja Gontscharowa. Doch die Botschaft, die aus der Welt des Blauen Reiters zu uns herüberstrahlt, ist auch ohne sie längst klar: Die klassische Moderne, wie sie heutzutage heißt, war kein Kampfplatz der Stile, sondern ein friedliches Experimentierfeld der Weltwahrnehmung. Erst das große Sterben auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs pflanzte ihr jenes Moment der Gewalttätigkeit ein, das bis heute fortwirkt. Seitdem ist alle Kunst Nachkriegskunst und der Blaue Reiter ein ausgeträumter Traum.“

 Mark Bradfords Arbeiten „Float“ von 2019 und „Niagara“ aus dem Jahr 2005Alles in ständigem Fluss: Mark Bradfords Arbeiten „Float“ von 2019 und „Niagara“ aus dem Jahr 2005Imago

Sein Leben gehört ihm

„Mark Bradford: Keep Walking“ in Berlins Hamburger Bahnhof

Die Berliner Rieckhallen sind wiedereröffnet: Eine Werkschau des Künstlers Mark Bradford im Hamburger Bahnhof.

„Leichthändig“, so unser Kunstkritiker Georg Imdahl, „adaptiert Bradford bereits 2005 Marilyn Monroes Walk-Szene aus dem Film „Niagara“ von 1953 und verlegt sie auf einen Boulevard in Los Angeles. Dort lässt er einen schwarzen Jungen im Muskel-Shirt in unwiderstehlich entspanntem und selbstbewusstem Gang den schäbigen Bürgersteig in die Ferne schlendern. In der Ausstellung geschickt inszeniert, geht man dabei selbst auf einem riesigen Bildteppich aus Papier und Textilien in dieselbe Richtung auf den kurzen Film und die Rückenfigur des Heranwachsenden zu. Sein Leben gehört ihm und niemandem sonst, möchte man denken. ,Keep Walking’ ist hier einmal ohne Retro-Charme ins Bild gesetzt: Weitergehen, nicht stehenbleiben. Von aller Materialästhetik entschlackt, weist diese älteste Arbeit der Ausstellung am einfachsten den Weg, vielleicht sogar in eine Zukunft.“

 Der Heidelberger Grafiker Erich Klemm fotografiert seine Frau Traudi, „twen“ druckt das Bild im Heft 2/1968Pure Lebenslust auf einer Doppelseite: Der Heidelberger Grafiker Erich Klemm fotografiert seine Frau Traudi, „twen“ druckt das Bild im Heft 2/1968Sammlung Hans-Michael Koetzle

Aufbruch in die dritte Dimension

„Twen: Das Magazin der sechziger Jahre“ im Wiener Fotomuseum WestLicht

Österreich eröffnet das Willy-Fleckhaus-Jahr: Eine aufschlussreiche Ausstellung feiert das stilbildende Magazin „twen“.

Am Ende seiner Besprechung zitiert unser Rezensent Hannes Hintermeier Dieter Bartetzko zur Münchner Ausstellung „Twen“ im Jahr 1995: „,Auf Schritt und Tritt begegnet man dort zeitlosen Klassikern der Fotografie, der Graphik, des Layouts. Und Klassiker samt Legenden sperren sich der Indienstnahme durchs Tagesgeschäft. Sie fordern Muße: Wer die Ausstellung sieht, wird gefesselt.’ Dies alles gilt auch für die Wiener Ausstellung. Man verlässt sie mit einem Gefühl, das womöglich nicht nur für visuelle Gestaltung gilt: Wir waren schon mal weiter.“

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