Italien und die Touristen – das ist #grandeamore. Im vergangenen Jahr verbuchte das Land erstmals mehr Museumsbesucher als Einwohner. Sehenswürdigkeiten wie das Kolosseum in Rom oder die Sixtinische Kapelle wurden schon durch Johann Wolfgang von Goethes »Italienische Reise« zu Sehnsuchtsorten der Deutschen.
Wagen wir einen Vergleich: So empfand der Schriftsteller die aktuell fünf beliebtesten Reiseziele Italiens – und so äußern sich Besucherinnen und Besucher heute.
Posieren statt sinnieren am Kolosseum

Seitenansicht des Kolosseums: »So groß, daß man das Bild nicht in der Seele behalten kann«
Foto: Phillip Neff / imageBROKER / picture alliance»Ja, ich bin endlich in dieser Hauptstadt der Welt angelangt!«: Mit diesen Worten beschreibt Goethe seine Ankunft in Rom am 1. November 1786. Die Stadt war das Ziel der Italienreise, die der Dichter und Geheimrat inkognito als Johann Philipp Möller antrat. Während seiner Monate in Rom besuchte Goethe auch das Kolosseum. »Abends kamen wir ans Coliseo, da es schon dämmrig war«, heißt es in einem Eintrag seiner »Italienischen Reise«. »Wenn man das ansieht, scheint wieder alles andre klein, es ist so groß, daß man das Bild nicht in der Seele behalten kann.«
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Instagram, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.
{$dispatch('toggle')}, 250);">
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
So ehrfürchtig wie der Dichter zeigt sich die Gen Z selten: In jedem Fall eignet sich die italienische Touristenattraktion Nummer eins (14,7 Millionen zahlende Touristen) jedoch für das #picoftheday. Rund um das antike Bauwerk werden fleißig Selfies vom persönlichen »Rom-Moment mit dem Kolosseum« gepostet – peinlich genaue Ortsangaben inklusive: Der geneigte Instagram-Nutzer erfährt etwa, dass die besten Schnappschüsse mit Kolosseum-Kulisse direkt vor der ersten öffentlichen Toilette im Forum Romanum entstehen. Ob Goethe über diesen Ort auch gesagt hätte: »Alle Träume meiner Jugend seh’ ich nun lebendig«?
Diese epische Dimension des Kolosseums bleibt aber auch dem modernen Reisenden nicht verborgen: »Denn wo sonst kann man sagen, dass man sich in der antiken Geschichte verirrt und danach ein Gelato gegessen hat?«
Vatikanische Museen: Himmlisch oder »Hölle auf Erden«?

Deckenansicht der Sixtinischen Kapelle: »Keine schlimmere Hölle auf Erden«
Foto: Jan Wehnert / Zoonar / picture allianceIn der offiziellen Touristenstatistik sind die Vatikanischen Museen nicht enthalten, da sie streng genommen nicht Italien, sondern dem katholischen Kirchenstaat gehören. Sechs Millionen Besucher gab es im vergangenen Jahr. Die zu den Museen gehörige Sixtinische Kapelle besuchte Goethe gleich mehrfach. Das »Heiligtum« beschreibt er in seinen Reiseaufzeichnungen als »hell und heiter«, mit »wohlerleuchteten« Gemälden. Besonders die von Michelangelo gestaltete Decke der Kapelle fand dabei Goethes Bewunderung. »Ich konnte nur sehen und anstaunen«, schreibt er und sinniert: »Wäre nur ein Mittel, sich solche Bilder in der Seele recht zu fixieren!«
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Instagram, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.
{$dispatch('toggle')}, 250);">
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Auch für viele zeitgenössische Besucher ist der Anblick ein echter »Kneif-mich-Moment«, der sich – wenn nicht in der Seele, dann doch immerhin im Insta-Feed – fixieren lässt. Die neumodischen Freiheiten bergen allerdings auch Tücken, wie etwa bei der Wahl der Garderobe: »Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich mich konservativer hätte kleiden sollen«, schreibt eine Userin unter einem Bild, das sie im roten Minikleid posierend im Vatikanischen Museum zeigt. Bei einer anderen Besucherin schlägt hingegen die Klaustrophobie zu: »Es gibt keine schlimmere Hölle auf Erden, als ein überfülltes Vatikanisches Museum«, kommentiert sie ein Video, das sie inmitten einer Flut von Touristen zeigt.
Uffizien: Wenn Venus #goodvibes sendet

Blick in die Galerie der Uffizien: »An Gemälden treffliche Sachen«
Foto: Zoonar.com / Marco Brivio / Zoonar / IMAGOAls »das Inspirierendste von gestern« preist eine Besucherin auf Instagram die Uffizien. Das berühmte Kunstmuseum von Florenz besuchten im vergangenen Jahr 5,3 Millionen Menschen. Besonders angetan hat es den Besucherinnen und Besuchern dabei eine nackte Göttin: Sandro Botticellis berühmtes Gemälde der Geburt der Venus sammelte auf Social Media sehr oft ein ♥️. Florenz hat so viel zu bieten, dass man leicht mehrere Wochen dort verbringen könnte, sind sich die Reisenden einig: #duomo #uffizi #pontevecchio.
Den inkognito reisenden Goethe ließen die versammelten Kunstschätze jedoch kalt. In seiner Hast, nach Rom zu gelangen, stattete er Florenz einen dreistündigen Blitzbesuch ab: »Die Stadt hatte ich eiligst durchlaufen, den Dom, das Baptisterium«, schreibt er in seiner »Italienischen Reise«. Und: »Hier tut sich wieder eine ganz neue, mir unbekannte Welt auf, an der ich nicht verweilen will.«
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Instagram, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.
{$dispatch('toggle')}, 250);">
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Ganz ließ sich der Geheimrat die #goodvibes allerdings nicht entgehen. 1788 kehrte er nach Florenz zurück und stattete auch den Uffizien einen Besuch ab. »Ich habe fast alles gesehen, was Florenz an Kunstsachen enthält und man könnte wohl mit großem Nutzen einige Zeit hier verweilen«, schreibt er in einem Brief an Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Seine Vorlieben? Treffen den Geschmack der Gen Z: »Die Medicäische Venus übertrifft alle Erwartung und übersteigt allen Glauben.«
🍕Pit Stop🍕 in Pompeji

Pompeji, Neapel: Ein Tänzchen in den #ancient #ruins
Foto: Maciej Olszewski / imageBROKER / picture allianceAuch Pompeji darf auf der Bucketlist Italienreisender nicht fehlen – wenn auch nur für einen 🍕Pit Stop🍕. 4,3 Millionen Touristen liefen 2024 durch die antike Stadt, die 79 n. Chr. von einem Vulkanausbruch des Vesuvs ausgelöscht wurde. Während die einen den Besuch »wie eine kleine Zeitreise« empfinden, veranstalten die anderen einfach nur ein Tänzchen in den #ancient #ruins. Eine Instagram-Nutzerin berichtet gar von einem »gruseligen Erlebnis« – ob sie zuvor die »Italienische Reise« gelesen hatte?
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Instagram, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.
{$dispatch('toggle')}, 250);">
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Auch Goethe konnte sich nach seinem Aufenthalt in Rom nicht recht für die antike Stätte erwärmen. »Pompeji setzt jedermann wegen seiner Enge und Kleinheit in Verwunderung«, schreibt er. »Schmale Straßen, obgleich grade und an der Seite mit Schrittplatten versehen, kleine Häuser ohne Fenster, aus den Höfen und offenen Galerien die Zimmer nur durch die Türen erleuchtet.« Der »wunderliche, halb unangenehme Eindruck dieser mumisierten Stadt« schlug dem Dichter offenbar aufs Gemüt. Ein »frugales Mahl« und »des Meeres Glanz« brachten ihn jedoch schnell auf erfreulichere Gedanken.
Pantheon: Zwischen Geltungssucht und Bedeutungslosigkeit

Ansicht des Pantheons: »Oh Rome«
Foto: Sergej Borzov / imagebroker / IMAGO»Itália vibes« und geistvolle Ausrufe wie »Oh Rome« löst das Pantheon bei Besuchern des 21. Jahrhunderts aus. Im vergangenen Jahr waren es 4,1 Millionen, die ein Ticket dafür erwarben. Dabei entsteht jedoch nicht selten der Eindruck, dass das antike Bauwerk mit der gewaltigen Kuppel allenfalls als willkommene Kulisse für die eigene Großspurigkeit dient. So steht manch einer sonnenbebrillt, Zigarre paffend und Espresso schlürfend davor. Nächster Punkt auf der To-do-Liste? »Pasta, Pizza, Spaziergänge und maximaler Genuss«, wie es in einem Post heißt.

Goethe in der römischen Campagna: Pose absolut Insta-tauglich
Foto: H.Tschanz-Hofmann / H. Tschanz-Hofmann / IMAGOMan fühlt sich ein wenig an Goethes »Faust« erinnert: »So tauml’ ich von Begierde zu Genuß, / Und im Genuß verschmacht’ ich nach Begierde«. Möglich, dass der Verfasser dies manch einem modernen Italienreisenden entgegengeschleudert hätte. Schließlich verleiteten ihn die Wucht der besuchten Orte dazu, über die eigene Größe nachzudenken. »Wie will man sich aber, klein wie man ist und ans Kleine gewohnt, diesem Edlen, Ungeheuren, Gebildeten gleichstellen?«
Ganz frei von Dünkel blieb aber selbst der von Italien so beseelte Goethe im Angesicht der antiken Stätten nicht. Ein Gemälde seines Rom-Gefährten Johann Heinrich Wilhelm Tischbein zeigt ihn in lässiger Pose in der römischen Campagna. Ein Insta-taugliches #picoftheday.