Ist er ein feministischer Landesvater?: Söders Rolle auf dem Weg zur Vollendung der Mütterrente

vor 20 Stunden 2

Der Präsident der Arbeitgeber hat einen vielleicht letzten Versuch unternommen, die Ausweitung der Mütterrente zu verhindern. „Die Mütterrente darf nicht weiter erhöht werden“, sagte Rainer Dulger am Freitag. Sie sei weder treffsicher noch generationengerecht. Zudem sei die Konjunktur schlecht, und so fehle das Geld für Investitionen.

Dabei wandte er sich direkt an Bayerns Landesvater Markus Söder. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass er das Projekt in der schwarz-roten Koalition durchsetzte. „Ich kenne Markus Söder als einen realistischen Politiker, der schnell und flexibel auf aktuelle politische Probleme reagiert“, sagte Dulger. Daher möge der es sich doch noch einmal überlegen und von seinem Lieblingsprojekt absehen.

In der CSU wies man Dulgers Appell umgehend empört zurück. „Mit der Vollendung der Mütterrente wird endlich Gerechtigkeit für zehn Millionen Rentnerinnen geschaffen“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber dem Tagesspiegel am Samstag: „Wir beenden diese Ungerechtigkeit.“ Auch die SPD stärkte Söder nach der öffentlichen Forderung von Dulger erneut den Rücken.

Auf Söders Image des eisernen Kämpfers für die Gleichbehandlung aller Mütter dürfte der Vorgang weiter einzahlen. Doch ein Blick in die Geschichte der Mütterrente zeigt: Markus Söder ist weder Urheber noch Vordenker der Mütterrente.

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Erstmals wurden Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung ab 1986 anerkannt, also unter Bundeskanzler Helmut Kohl und dessen Familienministerin Rita Süssmuth (beide CDU). Söder machte in diesem Jahr gerade sein Abitur. Mit Kohls Rentenreform 1992 wurde die anrechenbare Zeit für Geburten von einem auf drei Jahre erhöht – aber nur für nach diesem Jahr geborene Kinder. Dieses Modell galt fortan bis 2014.

Mütterrente I: Seehofer gegen Merkel

In der CSU hielt man es schon damals für ungerecht. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte es zu einer „ersten Priorität“, sie zu beseitigen. Doch schon damals waren die Mittel in der Staatskasse begrenzt, und der Widerstand aus der CDU war groß. An einem Mittwochabend im September 2013 überredete Seehofer die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel zumindest dazu, die anrechenbare Zeit von einem auf zwei Jahre zu verdoppeln.

Mit dieser Forderung zog die Union in den Bundestagswahlkampf. Der Slogan „Mütterrente anheben“ schaffte es erstmals in ein Wahlprogramm und wurde von der damaligen großen Koalition zum Juli 2014 umgesetzt. Die SPD trug sie schon seinerzeit leidenschaftslos mit.

Angela Merkel (links) und Horst Seehofer bei einem CSU-Parteitag 2014: Die Mütterrente I hat er durchgesetzt.

© dpa/Daniel Karmann

Söder war zu der Zeit Finanzminister in Bayern. Doch auch in den Folgejahren war es vor allem Seehofer, der sich weiterhin beharrlich für die Vollendung der Mütterrente einsetzte. „Es ist unerträglich, wenn Mütter am Ende eines arbeitsreichen Lebens für Kinder und Familie noch um ihre Existenz bangen müssen“, sagte Seehofer im Wahlkampf 2017.

Im damaligen CSU-Wahlprogramm, dem „Bayernplan“, forderte er neben der Obergrenze für Geflüchtete auch die Ausweitung der Mütterrente. In das Wahlprogramm der Union schaffte es beides nicht. Zudem verlor Seehofer den Machtkampf gegen seinen aufstrebenden Finanzminister. Im März 2018 löste Söder Seehofer als bayerischer Ministerpräsident ab, nicht einmal ein Jahr später auch an der Spitze der CSU.

Mütterrente II: Heil gegen Merkel

Den nächsten Schritt auf dem Weg zur Vollendung der Mütterrente haben Mütter und Väter dann vor allem der SPD und nicht der CSU zu verdanken. Während die CSU die noch fehlende Erhöhung auf drei Anerkennungsjahre vor allem für Familien mit mindestens drei Kindern durchsetzen wollte (so stand es auch im Koalitionsvertrag), setzte Sozialminister Hubertus Heil (SPD) durch, dass die Zeiten für alle Eltern – und nicht nur für kinderreiche – von zwei auf zumindest zweieinhalb Jahre erhöht wurden.

„Ich bin ein bisschen stolz und dankbar, dass wir es in der Koalition gemeinsam hinbekommen haben“, sagte Heil im Oktober 2018 im Bundestag. „Das ist eine Anerkennung von Kindererziehungsleistung und ein Stück mehr Gerechtigkeit.“

Die Koalition von 2018 mit unter anderem Olaf Scholz, Angela Merkel und Hubertus Heil (von links).

© Imago/Eibner

Dann entdeckte auch Söder das Thema für sich. Wann genau, wollte die CSU am Samstag auf Nachfrage nicht beantworten. „Die Mütterrente ist seit mehr als zehn Jahren Herzensangelegenheit der CSU“, sagte Generalsekretär Huber dem Tagesspiegel. Ganz pflichtbewusst hebt er den „starken Einsatz von Markus Söder“ hervor.

Wie sein Vorgänger machte es Söder dann im Wahlkampf 2021 ebenfalls zum Thema. „Wir dulden keine Zweiklassengesellschaft bei Müttern“, hieß es im CSU-eigenen Programm. Schon damals argumentierte auch er mehr mit der Schließung von Gerechtigkeitslücken.

Zudem erklärte Söder die Vollendung der Mütterrente zur Grundbedingung für die kommende Bundesregierung. Doch weil Armin Laschet und nicht er Kanzlerkandidat der Union wurde und die SPD die Wahl gewann, war das Thema Mütterrente zunächst vom Tisch.

Mütterrente III: Söder gegen alle

Söder warb trotzdem weiter dafür – auch gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen. Denn dort wollte man mit dem Prinzip „Sozialpolitik aus der Gießkanne“ brechen. „Eine weitere Erhöhung der Mütterrente kann es nicht geben“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Ende 2023.

Die weitere Erhöhung von zweieinhalb auf drei Jahre war längst ein Symbolthema geworden, mit dem die CSU Durchsetzungsfähigkeit demonstrieren wollte. Schließlich geht es nur um rund 20 Euro zusätzliche Bruttorente pro Kind pro Monat. Und das schaffte Söder: Zwar wurde nicht sie im Wahlprogramm der Union verankert, im späteren Koalitionsvertrag allerdings schon.

Neben der Beseitigung von Gerechtigkeitslücken rechtfertigt Söder seine Beharrlichkeit auch damit, dass die Mütterrente III einen Beitrag zur Verringerung von Altersarmut leiste. Wer Grundsicherung im Alter bezieht, profitiert von der Änderung allerdings gar nicht, weil der zusätzliche Anspruch mit der Sozialleistung verrechnet wird.

Als Teil des Rentenpakets soll sie schon bald im Bundestag beschlossen werden – entgegen der Warnungen von Ökonomen, Unternehmern und dem eigenen Parteinachwuchs.

„Auf das Wort von Markus Söder und der CSU kann man sich verlassen“, sagte Huber dem Tagesspiegel. „Die Mütterrente kommt.“ Derzeit deutet alles darauf hin, dass er recht behalten und die CSU ihr Ziel nach über einer Dekade erreichen wird.

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