Israel beim Eurovision Song Contest: Vier Länder boykottieren

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Insgesamt 14 Mal haben die Länder den Eurovision Song Contest (ESC) in seiner langen Geschichte gewonnen, die sich am Donnerstag von dem Wettbewerb im kommenden Jahr zurückgezogen haben: Spanien siegte zweimal, die Niederlande fünf-, Irland sogar siebenmal. Spanien nahm 1961 erstmals teil, Irland im Jahr 1965, die Niederlande waren von Anfang an dabei: seit 1956. Nun, ausgerechnet bei der 70. Ausgabe in Wien im kommenden Jahr, schickt das Gründungsmitglied keinen Künstler zu dem Wettbewerb. Eine Teilnahme sei unter den gegenwärtigen Umständen nicht mit den für die Organisation grundlegenden öffentlichen Werten vereinbar, schrieb der niederländische Sender AVROTROS am Donnerstagabend noch bevor das Ergebnis der Generalversammlung der Europäischen Rundfunkunion (EBU) bekannt war.

Regeländerung nach vermeintlicher Wahlkampagne

Über Monate hatte sich eine Front aufgebaut – gegen eine Teilnahme Israels im kommenden Jahr. Die Begründung: Das Land müsse ausgeschlossen werden, weil es einen unmenschlichen Krieg im Gazastreifen führe, genauso wie Russland und Belarus. Beide Länder sind seit 2022 nicht mehr dabei. Das Gegenargument: Nicht Länder, sondern unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunkstationen sind Mitglieder in der EBU, und solange diese sich an die Grundwerte der Organisation halten, dürfen sie auch Künstler zur größten Fernsehunterhaltungsshow der Welt entsenden. Dass Israel im Mai in Basel dann mit seiner Künstlerin Yuval Raphael und ihrem Lied „New Day Will Rise“ den zweiten Platz im Finale erreichte, empörte noch mehr. Sie bekam vor allem viele Zuschauerstimmen und damit Sympathien aus ganz Europa, angeblich, weil regelrechte Wahlkampagnen geführt wurden. Das führte dazu, dass die Regeln geändert wurden: Beim nächsten ESC wurden unter anderem die Jurys wieder gestärkt.

Doch das genügte den Ländern, die mit Boykott drohten, wenn Israel nicht ausgeschlossen werde, offenbar nicht. Und so wurde mit Spannung auf die Generalversammlung der EBU geblickt. Eine Abstimmung über die Teilnahme Israels war vor einigen Wochen zunächst geplant, nach dem Waffenstillstand im Nahen Osten wieder abgesagt worden. Allerdings kam es zu einer Abstimmung über die geplanten Regeländerungen am Donnerstagabend. Und zu einer „offenen, ehrlichen und durchaus bewegenden Debatte“, wie ESC-Direktor Martin Green im Anschluss berichtete. Seine Position war eigens neu geschaffen worden, nachdem es schon beim 68. ESC in Malmö wegen Israel zu massivem Streit hinter und dann auch vor den Kulissen gekommen war.

Spanien gehört zu den größten Beitragszahlern

Über Israels Teilnahme wurde hingegen nicht abgestimmt, da eine große Mehrheit der versammelnden Sender dies für nicht nötig erachtete. Man sei sich einig darin gewesen, dass der ESC nicht für ein politisches Theater missbraucht werden dürfe, sagte Green. Irlands Sender RTÉ teilte dagegen mit, seine „Teilnahme sei angesichts des entsetzlichen Verlusts an Menschenleben in Gaza und der dortigen humanitären Krise, die weiterhin das Leben so vieler Zivilisten gefährdet, nach wie vor unverantwortlich“.

Besonders aufmerksam wurde das Thema in Spanien verfolgt. „Es war der Beginn einer Liebesgeschichte zwischen Spanien und dem Festival, die fast 65 Jahre gedauert hat“, schreibt die Zeitung „El País“ an diesem Freitag und spricht „von der schwersten Krise in der Geschichte des ESC“. Denn Spanien scheidet damit auch aus den „Big Five“ aus, dem es seit der Gründung der Gruppe im Jahr 2000 angehört. Zusammen mit Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Italien und Deutschland leistet es den größten finanziellen Beitrag zur EBU, die den Wettbewerb ausrichtet. Der öffentlich-rechtliche Sender RTVE kündigte an, weder das Finale noch die vorangehenden Halbfinals auszustrahlen. Spanien zählte zu den acht Ländern, darunter auch die Türkei, die schriftlich eine geheime Abstimmung bei der Generalversammlung beantragt hatten. Der EBU-Vorsitz lehnte jedoch eine separate Abstimmung über die Teilnahme Israels ab.

„Ein von geopolitischen Interessen dominiertes Festival“

„Diese Entscheidung vergrößert das Misstrauen von RTVE gegenüber der Organisation des Festivals und bestätigt den politischen Druck rund um den Wettbewerb“, hieß es dazu in einer Erklärung von RTVE. Nach Ansicht des RTVE-Präsidenten José Pablo López zeige das, dass der ESC „kein Liederwettbewerb ist, sondern ein von geopolitischen Interessen dominiertes und gespaltenes Festival“. RTVE führt nach seinen Angaben aber das Benidorm Fest weiter. Auf dem Festival in dem Badeort am Mittelmeer wurde bisher der spanische ESC-Teilnehmer ausgewählt.

In Madrid stieß die Entscheidung vor allem beim linken Koalitionspartner Sumar auf Zustimmung. Man sei stolz darauf, dass RTVE „die Menschenrechte an erste Stelle setzt. Kultur muss immer auf der Seite von Frieden und Gerechtigkeit stehen, nicht der Verharmlosung des Genozids in Gaza“, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Yolanda Díaz. Israel dürfe angesichts des Genozids in Gaza „nicht reingewaschen werden“, sagte Kulturminister Ernest Urtasun. Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte schon im Mai gefordert, Israel auszuschließen. Er zog dabei einen Vergleich zu Russland. „Wir dürfen keine doppelten Standards zulassen, auch nicht in der Kultur“, sagte der Sozialist, der Israel wegen der Gaza-Offensive als „Genozid-Staat“ bezeichnet hatte. Wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine dürfe Russland nicht mehr am ESC teilnehmen. Das müsse auch für Israel gelten.

In Israel hingegen wurde die Teilnahme begrüßt. Der Sender KAN hatte zuvor schon mitgeteilt, dass ein Ausschluss undenkbar sei, weil der Sender sich an alle Regularien gehalten habe. Anders etwa als die suspendierten und quasi gleichgeschalteten russischen und belarussischen Sender. Israels Staatspräsident Yitzhak Herzog, der seit Monaten für eine Teilnahme geworben hatte, lobte die Entscheidung in Genf. „Israel verdient es, auf allen Bühnen der Welt vertreten zu sein“, schrieb er auf der Plattform X. „Diese Entscheidung zeigt Solidarität, Verbundenheit und Zusammenarbeit“, so Herzog.

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