Die vor mehr als fünf Jahren bei einem Brand schwer beschädigte Pariser Kathedrale Notre-Dame wird mit einer zweitägigen Feier am 7. und 8. Dezember wiedereröffnet. »Es ist an der Zeit, dass Notre-Dame ihre Pforten wieder weit öffnet«, sagte der Pariser Erzbischof Laurent Ulrich.
Zur Eröffnungsfeier werden nach Angaben des Élysée-Palasts zahlreiche Staats- und Regierungschefs eingeladen. Die Diözese räumt aber auch Pariser Katholiken und Bedürftigen Plätze bei den Feierlichkeiten ein. »Notre-Dame ist sowohl ein kultureller als auch ein religiöser Ort, und diese doppelte Dimension soll sich auch bei der Feier der Wiedereröffnung zeigen«, sagte Rektor Olivier Ribadeau Dumas.
Die Feierlichkeiten werden sich über zwei Tage erstrecken. Am 7. Dezember will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der einen Tag nach dem Brand im April 2019 den Wiederaufbau der Kathedrale innerhalb von fünf Jahren »schöner als zuvor« versprochen hatte, eine Ansprache auf dem Vorplatz von Notre-Dame halten. Anschließend wird Erzbischof Ulrich gemäß dem katholischen Ritus mit seinem Bischofsstab an die Tür von Notre-Dame klopfen und dann mit der Festgemeinde in die Kirche einziehen.
»Was für eine Freude«
Dort wird erstmals wieder die restaurierte Orgel erschallen, und der Chor von Notre-Dame wird das »Magnificat« anstimmen, ein Lied zum Lob Gottes. Am Ende dieser liturgischen Feier gilt die Kathedrale offiziell als wiedereröffnet. Die erste feierliche Messe, bei der auch der neue Altar geweiht wird, findet am 8. Dezember statt. An dem Gottesdienst um 10.30 Uhr will auch Macron teilnehmen. Eingeladen seien zudem Menschen, die sich in Not befänden, sagte Ribadeau Dumas. Für diese und ihre Begleitpersonen werde es im Anschluss an die Messe ein gemeinsames Essen geben.
Die Eröffnungsfeierlichkeiten sollen live im Fernsehen übertragen werden. In den ersten acht Tagen nach der Wiedereröffnung wird die Kirche den Angaben zufolge täglich bis 22 Uhr geöffnet sein. Besucher sollten sich vorher online für ein Zeitfenster anmelden, aber es werde immer auch eine Schlange für unangemeldete Besucher geben, teilte die Diözese mit. Eine neue App, die verschiedene Besucherparcours für Pilger, Kulturinteressierte oder Familien vorschlägt, soll Anfang Dezember verfügbar sein.
»Was für eine Freude, dass wir den Mittelpunkt unseres kirchlichen Lebens wiederfinden«, sagte der Erzbischof, der sich auch bei den 340.000 Spendern bedankte. Dass die Renovierung geschafft ist und auf der »Baustelle des Jahrhunderts« auch noch der Zeitplan eingehalten wurde, ist vor allem der beispiellosen Spendenbereitschaft zu verdanken, die die dramatischen Bilder der brennenden Kirche am 15. April 2019 ausgelöst hatten.
Großbrand am 15. April 2019
Foto:Philippe Wojazer / REUTERS
Nur einen Tag nach dem verheerenden Feuer hatte Macron damals versprochen, die Kathedrale solle innerhalb von fünf Jahren wieder aufgebaut werden, und zwar »schöner als vorher«. Gut 840 Millionen Euro an Spenden kamen zusammen, so viel, dass noch knapp 150 Millionen übrig blieben, die für die ohnehin anstehende Restaurierung der Apsis und der Strebepfeiler verwendet werden. Diese Arbeiten werden nach der Wiedereröffnung fortgesetzt und sollen etwa drei Jahre dauern.
Der Élysée-Palast lobte die Restaurierung der Pariser Kathedrale als einen »französischen Erfolg«. Besucher würden »beeindruckt sein von dem Leuchten der Steine und dem Einfall des Lichts«, hieß es. Wer Notre-Dame vor dem Brand besucht hat, dürfte das Bauwerk kaum wiedererkennen: Die Wände sind von jahrhundertealtem Ruß und Dreck befreit. Durch die gereinigten Fenster wird mehr Licht fallen denn je und die frischen Farben und das Blattgold der Wandmalereien zum Strahlen bringen. Auch die 2300 Statuen und 8000 Orgelpfeifen sind frisch geputzt.
Drei neue Glocken von Notre-Dame
Foto:Blondet Eliot / ABACAPRESS / IMAGO
An diesem Freitag (29. November) will Macron bei seinem siebten und letzten »Baustellenbesuch« die 2000 Handwerkerinnen und Handwerker ehren, die an der Restaurierung des Gotteshauses beteiligt waren.
Es zählt zu den Besonderheiten Frankreichs, dass Staat und Religion dort strenger getrennt sind als anderswo – zugleich aber auch enger verbunden, weil der Staat Eigentümer aller Kirchen und Klöster ist, die vor 1905 gebaut wurden. Damals wurde das Gesetz über die Laizität verabschiedet.
Viele Debatten
Demnach gehört auch Notre-Dame dem Staat, was erklärt, warum Macron als oberster Bauherr auftrat. Die Leitung des Wiederaufbaus vertraute er zunächst dem ehemaligen Generalstabschef der französischen Streitkräfte, Jean-Louis Georgelin, an, dem er sogar ein Büro im Élysée-Palast zur Verfügung stellte. Der General wird die Wiedereröffnung nicht mehr erleben, er kam 2023 beim Bergsteigen ums Leben.
Macron hätte Notre-Dame allzu gern seinen Stempel aufgedrückt, etwa durch einen Spitzturm eines zeitgenössischen Architekten. Dies hätte ihn in eine Reihe gestellt mit seinen Vorgängern François Mitterrand, der die neue französische Nationalbibliothek errichten ließ, oder mit Jacques Chirac, der Paris ein Museum für außereuropäische Kunst hinterließ. Die Charta von Venedig, die festlegt, dass ein historisches Bauwerk nach einem Unglück originalgetreu wieder aufgebaut werden soll, verhinderte dies.
Dies war nur eine der Debatten über Notre-Dame, die die Gemüter bewegten. Kürzlich brachte Kulturministerin Rachida Dati die katholische Kirche in Frankreich gegen sich auf, als sie vorschlug, dass Besucher des Gotteshauses künftig Eintritt zahlen sollten. Mit einer Gebühr von fünf Euro könnten jährlich 75 Millionen Euro für die Restaurierung anderer Kirchen eingenommen werden, rechnete die Ministerin vor.
Die Diözese hielt ihr entgegen, dass es zur Mission der Kirche zähle, »jede und jeden bedingungslos willkommen zu heißen«. Bisher sei in Notre-Dame nicht zwischen Pilgern und Touristen unterschieden worden. Erzbischof Ulrich bekräftigte, dass Notre-Dame »alle mit offenen Armen« empfangen wolle.
Die Eröffnungsfeierlichkeiten werden sich bis Pfingsten am 8. Juni hinziehen – mit mehreren Messen täglich, zahlreichen Pilgergruppen und Konzerten. Dabei wird auch der Chor der Bauleute auftreten, zu dem sich mehr als 80 Menschen zusammengefunden haben: Sie haben in den vergangenen fünf Jahren für die Renovierung der Kathedrale gearbeitet und wollen ihr Werk auf diese Weise feierlich beschließen.