Film über Schauspieler Jeff Bridges bei Arte: Lasst den „Dude“ gefälligst in Ruhe!

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Für jemanden, der in Interviews „Faulheit“ und „mangelnden Ehrgeiz“ als Hauptcharakterzüge angibt, hat Jeff Bridges eine brillante Schauspielkarriere gemacht. Ganz ohne Anstrengung, wundert sich ein Filmporträt bei Arte. Und widmet diesem Umstand eine im Kommentarbereich seltsame, aber unterhaltsame Studie. „Jeff Bridges und ,The Dude‘ – Coole Aura, später Ruhm“ könnte es locker nehmen, dudehaft. Akzeptieren, was ist, bis es Grund gibt, richtig sauer zu werden. Entspannt die Welt anschauen, wie der kalifornische „The Dude“ Jeffrey Lebowski, kultironisch geschmiedeter Althippie-Held aus dem Film „The Big Lebowski“ (1998). Er geht bowlen und bleibt cool. Das funktioniert, solange ihm niemand auf die Nerven geht und den Teppich ruiniert.

Keiner kapiert die Handlung von „The Big Lebowski“, so ist es auch gedacht

Wer jetzt nicht mehr mitkommt, hat den Film der Coen-Brüder vermutlich nicht gesehen. Einen Film mit kulturellen Verweisen und Hommagen, dessen Handlung so verworren ist, Episode um Episode, dass man sich nur auf die Figuren verlassen kann. „Wir wollten eine hoffnungslos komplexe Handlung, die am Ende doch unwichtig ist“, sagte Joel Coen einmal.

Vor allem auf den „Dude“ kann man sich verlassen, dem eines Tages Gangster ins Haus kommen, weil sie ihn mit dem Millionär Jeffrey Lebowski verwechseln, ihn in die Toilette tunken, Sachen ruinieren und, vor allem, den Bodenbelag, was den „Dude“ auf leicht erhöhte Betriebstemperatur bringt. Der echte „Big Lebowski“ (David Huddleston) indes hat nicht nur den amerikanischen Traum des reich gewordenen Überfliegers verwirklicht, sondern fördert einen Haufen Kinder, freilich keine leiblichen, sondern künftige „High Achiever“-Stipendiaten. Was dem „Dude“ so seltsam vorkommen mag wie ein BWL-Studium.

Jeff Bridges und John Goodman in „The Big Lebowski“.Jeff Bridges und John Goodman in „The Big Lebowski“.ddp

Die Arte-Doku zeigt die Szene, in der Sekretär Brandt (Philip Seymour) den zwecks Teppichersatz vorstellig gewordenen Dude an der Diplom-Wand des reichen Lebowski entlangführt. Am Ende der Szene schaut der Dude unbeeindruckt in den Spiegel, bedruckt wie ein „Time“-Magazin-Titelbild: Jeff Bridges, der Dude, Man of the Year. Triumph der Faulheit und des So-Sein-Lassens und Sich-Genügens. Was wäre gewonnen, wenn die Polit- und Wirtschaftsgrößen, die sich der Ideologie des Übertrumpfen-Müssens hingeben, ein paar „Dude“-Vibes auffingen? Jeff Bridges, schlurfen Sie heran!

Das Psychologisieren nervt

Dieser Arte-Film ist zwar über weite Strecken nervtötend, weil er unbedingt in unangemessen pathologisierender und psychologisierender Weise den Menschen Jeff Bridges auf den Tisch des Analytikers legen will. Das leistet vor allem der prätentiöse Off-Kommentar, den im französischen Original der Regisseur Charles-Antoine de Rouvre selbst spricht. Lasst Bridges in Ruhe, will man ihm zurufen. Der Film zeigt aber auch die beeindruckende Filmographie Jeff Bridges, nimmt jedoch jede Äußerung des Schauspielers, der für dieses Porträt nicht selbst befragt wurde, für bare Münze, nicht als Teil eines Images, der Koketterie mit diesem Image oder gar als Selbstironie, verbindet also die Absicht des Tiefschürfens mit Naivität. Bezeugen lässt er seine Charakterfiktion von einer Filmhistorikerin, einem Biographen, einem Filmkritiker und dem „Dudely Lama“ Oliver Benjamin, dem „Erfinder“ des Dudeismus und Autor eines „Dude“-Sprachführers.

 Jeff Bridges.Er ist auch Fotograf: Jeff Bridges.Alamy

Der Rest ist konventionelles Filmpor­trät­geschäft. Wir sehen die berühmte Schauspielfamilie, Vater Lloyd, den neun Jahre ältere Bruder Beau, die Ängste der Mutter Dorothy, Jeffs frühe Rollen, die erste als sechs Monate altes Baby. Wir sehen die vielen Kunstfelder, die Jeff Bridges neben der Schauspielerei bespielt, das angeblich Spätzünderhafte des „meistunterschätzten Schauspielers seiner Generation“, der seit 1974 mit derselben Frau zusammen ist; die Oscar-Nominierungen für „Die letzte Vorstellung“ (1972) und „Starman“ (1985). 1989 „Die fabelhaften Baker Boys“ (mit Bruder Beau und der berückenden Michelle Pfeiffer).

Es folgt der Oscar für „Crazy Heart“ (2010), für den sich Bridges mit dem Satz bedankt: „Ihr ruiniert meinen Status als unterschätzter Künstler.“ Sehenswert sind seine Fotoarbeiten, entstanden oft am Rand von Dreharbeiten. Das Porträt macht vor allem Lust auf Jeff Bridges’ Filme. Zu denen nimmt man am besten einen „White Russian“.

Jeff Bridges und „The Dude“ läuft am Sonntag um 22.05 Uhr bei Arte und in der Mediathek.

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