In der Mediathek der ARD findet sich gerade ein Zusammenschnitt von „NDR Talkmomenten“ mit einem Landwirt, der seinen Hof in den Achtzigern für eine neue, bei einem Feuerwehrfest entfachte Leidenschaft aufgab: die Schauspielerei. Wir sehen ihn als jungen Mann mit wallendem Haupthaar, und als gereiften Künstler, der sich an seine erste Nebenrolle im „Landarzt“ 1987 erinnert; dann an der Seite des Volksschauspielers Jan Fedder, mit dem er in den Kultserien „Großstadtrevier“ (1995 bis 2010) und „Neues aus Büttenwarder“ (1997 bis 2021) auftrat. Und in einer dieser Talkshow-Sequenzen, die alle von großem Charme sind, fragt der Moderator: „Weshalb kommt das so gut an, was glaubst du?“
„Weil das Typen sind“
Peter Heinrich Brix antwortet mit den Lachfalten unterm Auge, die ihn ebenso ausmachen wie seine trockene Art und die unverkennbar norddeutsche Zunge: „Weil das Typen sind.“ Genauso ist es. Brix spielt Typen. Er wird an diesem Dienstag siebzig Jahre alt und hat Lobhudeleien wie diesen halbstündigen Zusammenschnitt redlich verdient. Ein Publikumsliebling.
Auch das ZDF gratuliert, etwas dezenter. Hier läuft am Vorabend des Geburtstags eine neue Folge der Serie „Nord Nord Mord“, in der Brix seit 2018 in der Rolle des knorrigen Kommissars Carl Sievers beachtliche Quoten einfährt. Die letzte Folge im Januar (die an Ostern war eine Wiederholung) schalteten fast neun Millionen Zuschauer ein.
Brix ist allerdings nicht der einzige Schauspieler, der die Wohlfühlkrimis so populär macht. Die Episoden lebten schon zu Zeiten von Brix’ Vorgänger Robert Atzorn immer auch vom freundlichen Witz, den Oliver Wknuk als Nervbacke Hinnerk Feldmann in die Fälle einbringt und nicht zuletzt von der Chemie zwischen Wnuk und Julia Brendler als Ina Behrendsen. Die ist Feldmanns Kollegin und wohnt auch mit ihm zusammen.
Selten ist die Zweckmäßigkeit dieses Zusammenlebens von Behrendsen dabei so scharf betont worden wie im neuen Fall „Sievers und der tiefe Schlaf“. Ein Streit entzündet sich an Feldmanns Schusseligkeit und eskaliert vor sich hin, wie man es sonst nur aus Familienurlauben kennt. Aber „Nord Nord Mord“ ist ja im Kern auch Urlaubsfernsehen. Wenn die Kamera (Georgij Pestov) den Sylter Leuchtturm umfährt und Sievers drahteselreitend erfasst, wenn sie Jogger am Strand zeigt, tosende Wellen und Fenster, durch die man mitten in der Dünenlandschaft zu sitzen meint – dann ist das wie ein Kurztrip zur Insel. Kaum vorstellbar, dass jemand dieses Eiland freiwillig verlassen will.
Ob aus dem Urlaub auf Madeira etwas wird?
Aber als Bewohner sieht man das anders. Kommissar Sievers hat seiner Therapeutin Tabea Krawinkel (Victoria Trauttmansdorff) jedenfalls einen Urlaub auf Madeira versprochen. Und auch die Hypnotiseurin Josefa Petersen (Oda Thormeyer), die vor dem Abflug die Flugangst von Sievers beseitigen soll, träumt von der Ferne. Sie will sogar nach Kreta auswandern, was sie Sievers indes nicht mehr mitteilen kann. Just als sie den Kommissar in einen anderen Bewusstseinszustand versetzt hat, stürzt sie jemand unsanft die Treppe hinunter und Sievers gleich hinterher. Der Kommissar überlebt. Für seine Flugangst muss er nun jedoch eine andere Hypnotiseurin auftreiben.
Die Suche nach Petersens Mörder führt die Ermittler zur Tochter der Ermordeten (Tara Fischer), die alte Möbel beschmirgelt und auf die unsentimental überbrachte Todesnachricht erst bei Umarmung durch ihren Geliebten (Anselm Bresgott) ein Tränchen verdrückt. Die beiden wirken verdächtig. Sie haben eine Hanfplantage im Keller der Toten, deren Umfang den Eigenbedarf wohl leicht übersteigt. Und auch ein Konkurrent der Verstorbenen, der wunderheilende Strandbarbetreiber Chris (Kailas Mahadevan), und ihr Immobilienmakler (Jophi Ries) mit Knopf im Ohr werden strengstens befragt.
Eigentlich aber wollen wir nur dem Stiesel Sievers beim Grummeln und Feldmann und Behrendsen in Wohnungsnöten zusehen und in erhabenen Sylt-Bildern schwelgen. Dem Regisseur Berno Kürten, der schon zum achten Mal einen Sievers-Fall inszeniert und mit Sven Nagel auch das Drehbuch verfasste, muss man das ebenso wenig erklären wie den Hauptdarstellern, die ganz bei sich sind und mit ihren Liebenswürdigkeiten vom dürren Kriminalfall ablenken. Schuhe aus und Beine hoch.