Am 5. Dezember fließt auf der Nordseeinsel Borkum traditionell zuerst Alkohol – dann machen sechs Maskierte Jagd auf Frauen und schlagen sie mit einem Kuhhorn. »Klaasohm« heißt der Brauch, der vor Auswärtigen gern geheim gehalten wird. Das ARD-Magazin Panorama konnte Szenen der bizarren Nikolaustradition filmen, der Clip ist online abrufbar . In dem Beitrag berichten Frauen anonym von aggressiven Übergriffen.
Über die problematische Seite der Tradition spricht öffentlich kaum jemand auf der rund 5.000 Einwohner zählenden Insel. Nach NDR-Recherchen ruft der Veranstalter des Treibens, der Verein Borkumer Jungens von 1830, zu Verschwiegenheit auf. Gegenüber Panorama wollten die Borkumer Jungens zunächst nichts sagen, auch der Bürgermeister von Borkum schickte anfangs nur eine kurze schriftliche Stellungnahme.
Dann gab es bundesweit Kritik an »Klaasohm«. Die niedersächsische Staatssekretärin im Sozialministerium, Christine Arbogast, sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur, Brauchtum und Traditionen hätten zwar grundsätzlich einen hohen Stellenwert. »Aber es ist klar, dass alles da sein Ende findet, wo sich Frauen unsicher fühlen und Angst vor körperlicher Züchtigung haben.«
»Wer sich den Hintern mit einem Horn versohlen lassen möchte, darf das tun. Wer das nicht möchte, muss aber auch respektiert werden«, sagte Arbogast. »An keinem Tag im Jahr darf es so sein, dass Frauen aus Angst vor Hieben zu Hause bleiben und sich nicht auf die Straße trauen.«
Der Verein will das Schlagen mit Kuhhörnern abschaffen
Nun versucht der Verein die Kritik an dem Brauch zu beschwichtigen. In einer Stellungnahme räumen die Borkumer Jungens ein, dass das Schlagen mit Kuhhörnern früher »und in Einzelfällen auch in den letzten Jahren« Teil der Tradition gewesen sei. »Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeder Form der Gewalt gegen Frauen und entschuldigen uns für die historisch gewachsenen Handlungen vergangener Jahre«, heißt es weiter.
Dieser Teil der Tradition sei nicht der Kern des Fests. Künftig wolle der Verein den »Brauch des Schlagens« aber vollständig abschaffen. Auch solle das Fest transparenter gestaltet werden, um Missverständnisse aufzuklären und die Wogen zu glätten. »Wir verstehen die Kritik an den in der Reportage gezeigten Szenen und fühlen uns verpflichtet, weitere Veränderungen herbeizuführen.«
Kritik an der Berichterstattung
Der Bürgermeister von Borkum, Jürgen Akkermann, kritisiert den Panorama-Beitrag. »Die Berichterstattung ist aus meiner Sicht tendenziös und unseriös. Diese Bewertung wird von vielen Bewohnerinnen und Bewohnern der Insel geteilt«, sagt Akkermann auf dpa-Anfrage. Er besteht darauf, dass »Frauen, Männer und Kinder auf den Straßen, in den Lokalen und in den Häusern gemeinsam« feiern. »Leider kommen aber positive Stimmen im Bericht nicht zu Wort.«
Die Polizeiinspektion Leer/Emden, die auch für die Sicherheit auf der Nordseeinsel zuständig ist, teilt auf Facebook mit , jegliche Form der Gewaltanwendung nicht zu tolerieren. »Sofern wir als Polizei Kenntnis von etwaigen Übergriffen erlangen, werden diese durch uns konsequent und ganzheitlich verfolgt.« Die Medienberichte über »Klaasohm« würden bei der »polizeilichen Lagebeurteilung« berücksichtigt.
Auf Borkum wird sich erzählt, dass der Brauch auf die Zeit der Walfänger zurückgeht. Die Männer seien am Jahresende zurück auf die Insel gekommen, nachdem sie monatelang auf See waren, und hätten mit dem Brauch klargemacht, dass nun wieder sie – und nicht die Frauen – das Sagen hätten. Lesen Sie mehr über »Klaasohm« in einer SPIEGEL-Reportage von 2013.