Start der Weltcupsaison »Skandalös« und »unfair« – Biathleten wüten wegen Regeländerung
Der Sportwinter beginnt, in Finnland legen die Biathleten los. Dabei sorgt eine neue Startaufstellung für Ärger und bei den Deutschen dreht sich vieles um die Gesundheit von Franziska Preuß. Alles Wichtige zum Auftakt.
30.11.2024, 08.28 Uhr
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In Deutschland und Österreich deutet noch wenig auf einen baldigen Wintereinbruch hin. Etwas winterlicher ist es schon in Kontiolahti, einer Gemeinde im Osten Finnlands, wo am Wochenende die besten Biathletinnen und Biathleten der Welt in die neue Saison starten.
Los geht es am Samstag mit der Single-Mixed-Staffel über 13,5 Kilometer (13.15 Uhr/ TV: ZDF und Eurosport). Die Wettervorhersage prognostiziert Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, deutlich aufgeheizter sind die Gemüter mancher Athleten vor dem Start.
Welche Regeländerung nervt die Sportler?
Der Weltverband IBU will in den Individualrennen Spannung bis zum Ende und tüftelt deshalb an der Startreihenfolge. Im November und Dezember werden testweise die besten 15 Athletinnen und Athleten der Gesamtwertung im Sprint und im Einzel mit einer Startnummer zwischen 46 und 75 loslaufen.
Bislang hatten die Topleute ihre Startgruppe frei wählen dürfen, meist entschieden sie sich für eine niedrige Nummer. Die Spannung war dadurch schnell raus, auch viele TV-Zuschauer dürften weit vor Ende des Rennens ausgeschaltet haben.
Oft stand der Sieger praktisch fest, ehe manche Athleten überhaupt auf der Strecke waren.
Aus Sicht des Weltverbands also ein nachvollziehbarer Schritt. Bei den Athleten kommt er aber schlecht an. Die Topleute wollen am Anfang starten, wenn die Strecke noch hart ist. Vor allem bei Rennen mit hohen Temperaturen weicht der Schnee oft stark auf, Läufer mit einer späten Nummer kommen deutlich schwieriger voran, müssen mehr Kraft aufwenden und sind langsamer. Es könnte also zu Außenseitersiegen kommen.
Schneearmut bei Rennen in Ruhpolding, 2023: Solche Strecken machen für Teilnehmer mit späten Nummern Probleme
Foto: Sven Hoppe / dpaWas sagen die Athletinnen und Athleten?
»Am Ende spielt es wieder keine Rolle, was wir Athleten denken«, beschwerte sich die italienische Gesamtweltcupsiegerin Lisa Vittozzi. Frankreichs zweimaliger Olympiasieger Quentin Fillon Maillet urteilte bei Eurosport: »Wir werden Bedingungen haben, die nicht fair sein werden, außer in Ausnahmefällen.« Frankreichs Teamchef Stéphane Bouthiaux wurde im »Nordic Magazine« noch deutlicher: »Wir sind komplett gegen dieses neue Startgruppen-System, das total unlogisch ist.« Es wirke so, »als ob sie entschieden hätten, die Besten mit einem Ballast zu belegen, um das Level aller Athleten auszugleichen. Ich finde das komplett skandalös«.
Das deutsche Toptalent Selina Grotian sagte im Podcast der »Sportschau« : »Ich finde, man hat sich die Startgruppenauswahl erarbeitet über die Jahre und hat das Recht darauf, selbst entscheiden zu dürfen.«
Was sagt der Weltverband?
Die Angst vor unfairem Wettbewerb sei unbegründet, denn es wurden auch Ausnahmen beschlossen. Bei außergewöhnlichen Wettersituationen, die zu extremen Streckenbedingungen führen, wird durch die Entscheidung der Wettkampfjury ein alternatives System angewendet, sagte Winkler. Dann könnten die Top 15 der aktuellen Gesamtwertung wie in der Vergangenheit zu Beginn des Wettbewerbs starten. Wie das in der Praxis aussieht, muss sich aber erst noch zeigen.
Wie sieht das deutsche Team aus?
Mal wieder verändert. Benedikt Doll, über Jahre eine feste Stütze, beendete zum Ende der Vorsaison seine Karriere. Bei den Frauen legt Janina Hettich-Walz eine Babypause ein. Wer diese Lücken füllen kann, ist ungewiss. Große Hoffnungen, vor allem für die kommenden Jahre, ruhen dabei auf Grotian. Die 20-Jährige vom SC Mittenwald ist die größte Hoffnung im deutschen Team, sie holte insgesamt fünf Titel bei Junioren-Weltmeisterschaften. Im WM-Einzel im Vorjahr kam sie auf Platz vier, den Gesamtweltcup beendete sie auf Rang 29. Oft wurden die deutschen Athleten im Vorjahr auch von schlechtem Material ausgebremst, dieses Problem wollte der Verband im Sommer angehen. Wie gut das geklappt hat, werden die ersten Rennen zeigen.
Selina Grotian ist das größte deutsche Talent
Foto: Hendrik Schmidt / dpa / picture allianceWie geht es Franziska Preuß?
Die 30-Jährige ist eine Kandidatin für die vorderen Plätze – wenn sie fit ist. Doch Preuß wurde immer wieder ausgebremst, fing sich Infekte ein, blieb nie lange gesund. Im März unterzog sie sich einer Operation an den Nasennebenhöhlen. Danach habe das Training gut funktioniert, »ich fühle mich körperlich richtig gut, ich bin sehr zufrieden«, sagte Preuß.
Wer sind die Favoriten?
Bei den Männern Johannes Thingnes Bø. Der Norweger holte zuletzt fünfmal in Folge den Gesamtweltcup, wenig deutet darauf hin, dass diese Dominanz endet. Nur die Vorbereitung lief nicht nach Plan, in Testrennen lief er hinterher. Was aber nichts heißen muss, oft wird bei solchen Events auch viel am Material getüftelt. Bei den Frauen zählen Ingrid Landmark Tandrevold aus Norwegen und das Französinnentrio Justine Braisaz-Bouchet, Julia Simon und Lou Jeanmonnot zu den Favoritinnen. Die italienische Vorjahressiegerin Lisa Vittozzi fehlt beim Auftakt mit Rückenproblemen.
Johannes Thingnes Bø: In der Vorbereitung schwach – aber was heißt das schon?
Foto: Kevin Voigt / Getty ImagesWas ist der Saison-Höhepunkt?
Die Biathlon-Weltmeisterschaften. Nach den Titelkämpfen der Frauen 1985 in Egg am Etzel kehrt die Medaillenvergabe erstmals wieder in die Schweiz zurück, vom 12. bis 23. Februar stehen in Lenzerheide zwölf Entscheidungen auf dem Programm. Bei der WM 2024 im tschechischen Nove Mesto gab es für den Deutschen Skiverband (DSV) kein Gold. Janina Hettich-Walz gewann im Einzel überraschend Silber, Bronze gab es jeweils für die Frauenstaffel sowie Benedikt Doll im Einzel der Männer.
Mit Material des Sport-Informations-Diensts.